Die Erfahrungen der integrativen Medizin zeigen, dass die Ernährung bei einer Krebserkrankung zentral wichtig ist. Mit einer „Wunderdiät“ hat das aber nichts zu tun…
«Es gibt keine wirksame Krebsdiät». Diesen Satz bekommt jeder Krebspatient früher oder später zu hören. Und legt ihn manchmal so aus: Essen ganz nach Lust und Laune!
Tatsächlich wäre es blauäugig, von Brokkoli & Co. alleine eine Genesung zu erwarten. Trotzdem ist die Ernährung bei einer Krebserkrankung sehr wichtig.
„Essen Sie alles, was Sie mögen! Gönnen Sie sich etwas!“ Mit diesen Worten wurde mein Mann vor Jahren aus einem Spital des Schweizer Mittelandes entlassen. Wenige Stunden zuvor war ihm dort Darmtumor entfernt worden. Eine der ersten Speisen, die man ihm am Krankenbett angeboten hatte, war ein schwer verdauliches, blähungsförderndes Kohlgericht.
Sich etwas gönnen, Freude am Essen haben. Ja, das ist für Krebsbetroffene durchaus wichtig. Weil die Ernährungden psychischen und körperlichen Allgemeinzustand tiefgreifend beeinflusst. Dieser ist für den weiteren Verlauf der Erkrankung oft entscheidend.
Kommt hinzu, dass die schulmedizinischen Behandlungen in Form von Medikamenten, Chemotherapie und Bestrahlung häufig auf den Appetit schlagen. Zum Beispiel aufgrund von Müdigkeit, einem veränderten Geschmacks- und Geruchsempfinden, Zahnproblemen oder tumorabhängigen Kau- und Schluckbeschwerden.
Krebsbetroffene sollen also geniessen. Doch egal was? Fleisch, Kaffee, Alkohol? Und wie steht es mit dem Verzehr von raffiniertem Zucker und Auszugsmehlen (Weiss-bzw. Halbweissmehl)?
Nehmen wir das Beispiel des Alkohols, den laut Statistik eine Mehrheit der erwachsenen Schweizer und Deutschen täglich konsumieren. Die offiziellen Informationsdienste raten Krebsbetroffenen zur Mässigung.
In der Patientenbroschüre „Ernährung bei Krebs“ der Schweizerischen Krebsliga lesen wir: „Alkoholische Getränke sollten nur in kleinen Mengen getrunken werden.» Derweil rät die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE): «Legen Sie regelmässig alkohol-freie Tage ein“.
Also ein „Jein“ zum Konsum von Alkohol. Auch in punkto raffiniertem Zucker und Auszugsmehl rufen die offiziellen Informationsdienste zur Mässigung auf, nicht aber zum Verzicht. Etwa wenn die Krebsliga empfiehlt, bei Übelkeit «leicht gezuckerten Tee und Cola mit Eis zwischen den Mahlzeiten» zu trinken.
Verglichen damit wirken die Richtlinien der integrativen Krebsmedizin ausgesprochen streng. Nehmen wir beispielsweise das Spital «Oasis of Hope». Es liegt in Tijuana nahe der US-mexikanischen Grenze und hat seit 1986 über 100 000 Patienten aus über 50 Ländern mit Krebs in unterschiedlichen Stadien behandelt.
Die Statistik bescheinigt dem Spital deutlich höhere Erfolgsraten als den Kliniken, die Tumorerkrankungen ausschliesslich konventionell therapieren. Zum Einsatz kommen am „Oasis of Hope“ eine breite Palette komplementärmedizinischer Massnahmen, die – wo nötig – schulmedizinisch ergänzt werden. Die Ernährung spielt dabei eine wichtige Rolle.
„Es gibt genügend Fakten, die klar aufzeigen, welche Vorteile eine gesunde Ernährung für Krebskranke bringt“, sagt Francisco Contreras, Onkologe, Chirurg und Direktor der Klinik. „Essen kann krank machen, Essen kann heilend wirken. Bei uns hat die Ernährung einen so hohen Stellenwert, dass wir unsere Köche als Teil des Therapeutenteams betrachten.“
Dieser integrative Ansatz hat vielen Menschen geholfen, manchen auf spektakuläre Weise. Da ist zum Beispiel Donald Factor. 1986 wurde beim Sohn des Kosmetik-Tycoons Max Factor Lungenkrebs im Stadium 4 diagnostiziert. Der Krebs hatte in Leber und Wirbelsäule metastasiert. Statt die niederschmetternde Diagnose seiner Londoner Ärzte hinzunehmen, flog er nach Tijuana und liess sich dort intensiv behandeln.
Nach der Therapie und einem Jahr weiterführender Massnahmen zu Hause waren alle Anzeichen von Krebs verschwunden. Donald Factor genas komplett. Er starb 2017 friedlich im Kreis seiner Familie, im Alter von 82 Jahren.
In Interviews sagte Donald Factor bis kurz vor seinem Ableben: «99 Prozent der Menschen mit einer so schweren Krebserkrankung wie ich sie damals hatte, bleiben nicht am Leben. Trotzdem habe ich keinen Arzt getroffen, der sich dafür interessiert hätte, wie ich gesund wurde.»
Uns aber interessiert, wie Donald Factor genas! Als erstes rauchte der 51-Jährige sofort seine letzte Zigarette. Danach absolvierte er am «Oasis of Hope» eine The-rapie mit intensiv entgiftenden und immunstärkenden Massnahmen. Seine Ernährung sah damals im Wesentlichen gleich aus wie diejenigen der heutigen Patienten.
In Tijuana essen die PatientInnen weitgehend vegetarisch und in Bio-Qualität: vielfältige Blattsalate und Gemüse (u.a. immunstärkende Kohlarten), glutenfreien Getreidesorten, Quinoa, Hülsenfrüchten, frisch gepresste Säfte (Paprika, Gurke, Mangold, Spinat u.a. grüne Gemüse), Suppen sowie (wohldosiert) unterschiedliche Früchte. Dazu Algen wie Spirulina, welche die Aktivität der natürlichen Killerzellen fördern.
Ausserdem ein- bis zweimal pro Woche eine Portion Fisch, Lachs, Geflügel oder Eier, auch das in Bio-Qualität. Salz wird sparsam verwendet; dafür kommen vielfältige Gewürze und frische Gartenkräuter zum Einsatz. Das Essen ist eher fettarm, enthält aber alle essentiellen Fettsäuren.
Gibt es an der Klinik kulinarische „Verbote“? Durchaus: Raffinierter Zucker und Auszugsmehl fehlen in der Spitalküche komplett. Der Grund: Beide führen zu einer übermässigen Ausschüttung von Insulin, was in Zusammenhang mit der Entstehung von Krebs steht.
Auch Alkohol sucht man in Tijuana vergeblich. Das darin enthaltene Zellgift Ethanol belastet die Leber. Deren Entgiftungskapazität wird bei Krebs dringend für andere ausleitende Aufgaben und Massnahmen benötigt.
Industriell verarbeitete Lebensmittel (Chips & Co.) sind tabu. Stattdessen lernen die Patienten an den spitalinternen Kochkursen, wie sie aus frischen, vielfältigen Zutaten selbst Menüs zubereiten, die köstlich schmecken.
Kliniken, die ähnlich arbeiten wie die «Oasis of Hope», gibt es auch in Europa. Zum Beispiel in Lustmühle bei St. Gallen.
Hier setzt die Paracelsus Klinik seit rund 50 Jahren auf biologisch-integrative Krebsmedizin. Die Klinik hat im Verlauf der Jahrzehnte mit Hilfe wissenschaftlicher High-Tech-Diagnostik Erstaunliches entdeckt, wie Dr. med. Stefan Rupp, ärztlicher Leiter des Biological Tumorcenters, bestätigt.
Zum Beispiel, dass 80 Prozent der über 2000 getesteten Tumorpatienten eine Nahrungsmittelallergie aufweisen, ohne dass sie das wissen; die meisten auf das Kuhmilcheiweiss Beta-Lactoglobulin. Und dass man bei fast allen Krebspatienten zu hohe Konzentrationen an Schwermetallen im Blut nachweisen kann, vor allem Blei, Cadmium und Quecksilber. Aber auch, dass die Stuhlmessungen der Klinik bei allen Krebspatienten eine gestörte Darmflora nachgewiesen haben. Will heissen: „Im Dünndarm der Getesteten waren die immunstimulierenden, entgiftenden Stämme von Lactobacillus acidophilus, Bacteroides sowie Bifidobacterium reduziert“, präzisiert Stefan Rupp.
Das sind beachtenswerte Erkenntnisse angesichts der Tatsache, dass die Darmwand das grösste Immunsystem des menschlichen Körpers enthält. 80 Prozent der Immunzellen leben hier. Wer will schon, dass die eigenen Immunzellen in einen ständigen Kampf mit Nahrungsallergenen verwickelt sind, wo sie doch mit voller Kraft gegen die Krebszellen kämpfen sollten?
Die Patienten an der Paracelsus Klinik durchlaufen ein 3-Stufen-Programm, das aus Entgiftung, Darmsanierung und Ernährungsanpassung besteht. Angeboten wird eine vegetarische Vollwertkost oder phasenweise sogar vegane Kost in Bio-Qualität. Raffinierter Zucker und Auszugsmehl werden weggelassen, unter anderem weil deren Kohlenhydrate «die falschen Darmbakterien nähren». Kuhmilchprodukte werden durch Erzeugnisse aus Schaf- und Ziegenmilch ersetzt.
Früher habe man auch andere Ernährungsformen angeboten, beispielsweise die ketogene Diät, sagt Stefan Rupp. Davon sei man wieder abgekommen. Trotzdem bleibe die ketogene (fettreiche, kohlenhydratarme) Diät eine Option für besondere Krebsformen.
Nicht alle KrebspatientInnen können ihre Ernährung völlig „umkrempeln“. Sie kann es ermutigen, dass andere große Kliniken der integrativen Krebsmedizin moderatere Ernährungsformen empfehlen. Zu ihnen gehört die Klinik Arlesheim in der Nähe von Basel. Sie praktiziert seit Jahrzehnten anthroposophische Krebstherapie in enger Zusammenarbeit mit der Schulmedizin.
Die Klinik stellt die hohe Qualität der Lebensmittel in den Mittelpunkt ihrer Ernährungs-Empfehlungen. Auf den Tisch kommen Lebensmittel in Bio- oder Demeter-Qualität. Saisonale und regionale Produkte werden bevorzugt, die Zutaten frisch verarbeitet und mit Kräutern aus der hauseigenen Gärtnerei angereichert.
Weiter achten die Küchenchefs beispielsweise darauf, dass in den Menüs gleichzeitig Wurzel, Blatt und Blüte (bzw. Frucht oder Same) von Nahrungspflanzen vertreten sind. Diese Maßnahme wurzelt in der anthroposophischen Philosophie, die den Menschen als einen mit dem Makrokosmos Natur eng verwandten Mikrokosmos betrachtet.
Zentral wichtig für den Heilungsprozess ist aus anthroposophischer Sicht auch, wie die Nahrung zubereitet und mit welcher inneren Haltung sie gegessen wird.
Hingegen sind die Richtlinien bei den Lebensmittel-Gruppen weniger streng als an vielen anderen komplementärmedizinischen Krebskliniken.
Nehmen wir die Kuhmilch: „Wichtig ist vor allem, wie die Milch produziert wurde“, sagt Maria Francesca Lingua, Oberärztin der Onkologie der Arlesheimer Klinik.“ Die Milch von einem Bauernhof aus der Nähe, wo die Kühe frisches Gras fressen und biologisch gewirtschaftet wird, kann sehr empfehlenswert sein, wenn keine Unverträglichkeiten bestehen.“
Grundsätzlich legt die Klinik den Schwerpunkt auf eine vielfältige pflanzliche Nahrung, etwa mit (fast) täglich wechselnden Getreidearten. Doch den PatientInnen wird auch mehrmals pro Woche Fisch oder eine Portion weißes Fleisch angeboten, zum Beispiel qualitativ hochwertiges Poulet.
Raffinierter Zucker wird dagegen vermieden. Überhaupt wird möglichst wenig Zucker verarbeitet. Dafür kommen häufig Vollwertzucker oder andere natürliche Süssungsmittel wie Agavendicksaft oder Stevia zum Einsatz.
Gleichzeitig wird die Erkenntnis beachtet, dass „Zucker und Kohlenhydrate das Loslösen von Astralleib und Ich unterstützen“. In diesem Sinne kann etwas Süßes zum Abendessen oder vor dem Zubettgehen den erholsamen Schlaf fördern. Genauso wie etwas Salziges zum Frühstück nach Erkenntnis der anthroposophischen Medizin das Wachwerden fördert. Beides ist auch für kranke Menschen wichtig.
In Arlesheim wird den Patientinnen und Patienten empfohlen, selber zu spüren, was die Nahrungsmittel mit ihnen machen, was ihnen gut tut und was schmeckt: „Jeder Mensch ist individuell, auch die Ernährung sollte individuell sein“, sagt Maria Francesca Lingua. „Das starre Befolgen von Regeln ist keine gute Empfehlung.“
Außerdem sei Ernährung nicht nur Nahrungsaufnahme, sondern alles, was der Mensch über seine Sinne aufnehme, sagt die Ärztin: „Auch Sonnenlicht, Wärme, Musik, Farben, Bewegung, Freude, die Begeisterung für eine Sache, ein freundliches Gespräch, positive Gedanken nähren.“ Für Krebspatienten sei es wichtig, die persönliche Wahrnehmung zu vertiefen. Letztlich gehe es stets darum, das Gesunde zu stärken.
Auf diese Weise gelangt der Patient zu einer vertieften Achtsamkeit. Eine solche ist aus anthroposophischer Sicht zielführender als das ängstliche, fremdgesteuerte Bemühen um eine „perfekte Ernährung“.
Wird die neu gewonnene Achtsamkeit auf weitere Lebensbereiche ausgedehnt, wächst das Wohlbefinden exponentiell. Sie zieht immer mehr Dinge, Beschäftigungen und Menschen ins eigene Leben, die einen im wahrsten Sinne des Wortes «nähren».
Es ist kein Zufall, dass der Onkologe Francisco Contreras von der Krebsklinik in Tijuana nach über vierzig Jahren Krebsmedizin sagt: «Krebs kann man nur nachhaltig behandeln, wenn man den Geist und die Seele des Patienten mitbehandelt».
– Paracelsus Klinik Lustmühle, Teufen SG
Tel. 071 3357171, www.paracelsus.ch.
– Klinik Arlesheim, Pfeffingerweg 1, CH-4144 Arlesheim
Tel. 061 705 71 11, info@klinik-arlesheim.ch
Spital ‹Oasis of Hope›, Playas de Tijuana, Terrazas, 22504 Tijuana, Baja California, Mexiko, Tel. 00526646316100, www.oasisofhope.com
Gemüse – wozu?
„Das wichtigste Nahrungsmittel für Krebskranke ist reichlich Gemüse“, sagt die deutsche Onkologin Dr. Beate Krammer.
Der Grund? In Gemüse und Salaten stecken am meisten sekundäre Pflanzenstoffe. Diese wiederum wirken antioxidativ, immunstärkend, direkt oder indirekt krebshemmend, entzündungshemmend, antiviral, antibakteriell, nervenberuhigend, gefässstärkend und immunmodulierend.
So kann man die Gemüsemenge spielend erhöhen:
Tagsüber vor oder zwischen den Mahlzeiten rohe, saisonale Gemüsestücke knabbern. Zum Beispiel Karotte, Kohlrabi, Stangensellerie und Zucchini. Im Winter auch mal Rotkabis, Rote Bete (Randen) oder Broccoli.
– Gemüse fein hobeln, in wenig Wasser oder Reismilch auf niedriger Hitze fünf bis zehn Minuten köcheln, fertig!
– Gemüse in mundgerechte Stücke schneiden, im Ofen überbacken, in fünzehn bis zwanzig Minuten fertig!
– Bei Zeitmangel Gemüse auf Vorrat zuschneiden und ein bis zwei Tage im Kühlschrank aufbewahren.
– Reichlich Kräuter und Gewürze einsetzen, die Sie mögen und gut vertragen.
– Maximal zwei Früchte pro Tag. Früchte enthalten viel Einfachzucker. Krebszellen lieben Zucker!
Was tun bei Appetitmangel?
Sechs bis sieben «Mini-Mahlzeiten» über den Tag zu verteilen. Zum Beispiel:
Hirse- oder Dinkelbrei mit geriebenem Apfel zum Frühstück.
Zwei, drei Stunden später eine Portion Quark mit Leinöl, einigen Paranüssen und Beeren.
Mittags einen kleinen Blattsalat, Gemüse an Buttersauce und gedämpften Fisch. Zum Salat einen Esslöffel gesundes Öl nehmen (Walnuss, Olive, Lein, Raps).
Bei Neigung zu Gewichtsverlust mit gesunden, sättigenden Zutaten experimentieren, beispielsweise mit Avocado, Quark, Kokos, Sahne und Nüssen.
Im Verlauf des Nachmittags einige Gemüsesticks, dazu eine Scheibe Vollkornbrot mit Käse oder Ei.
Am Abend einen Gemüse-Smoothie oder eine cremig pürierte Gemüsesuppe, gerne auch mit einer Handvoll Buchweizen oder Quinoa.
Rohkost ist eine prima Aufbaunahrung für die Darmflora. Falls Sie davon Blähungen bekommen, ist es ratsam, vorübergehend ein Aufbaumittel für die Darmflora einzunehmen (Drogerie/Apotheke).