Schwerelos im warmen Wasser treiben, während der Körper sanft bewegt, gedehnt und massiert wird. Das kann man beim „Watsu“ oder „Wassershiatsu“ erleben. Die Methode des Shiatsu-Therapeuten Harold Dull hilft bei vielen Beschwerden. Wer Wasser mag und körperliche Nähe nicht scheut, wird Watsu lieben. Ein Erfahrungsbericht.
Ein Herbsttag am Berner Inselspital. In Badekleid und Gummischlappen sitze ich im Vorraum des hauseigenen Thermalbades und warte. Das zweite Untergeschoss ist menschenleer. Kein Ton ist zu hören. Auch nicht aus der Badehalle hinter der Milchglastür, wo gerade eine Watsu-„Sitzung“ stattfindet. Auf dem Wochenplan an der Wand sind 28 Watsu-Stunden eingetragen. Die in der breiten Öffentlichkeit wenig bekannte Therapie findet hier regen Zulauf.
Die Milchglastür öffnet sich. Eine Frau mit klatschnassem Haar, ebenfalls im Badeanzug, betritt den Raum.
»Wie war’s?«, frage ich mit einem Lächeln.
»Wunderbar, traumhaft!«, antwortet die Frau und beginnt, sich mit einem Frotteetuch abzurubbeln.
»Wie wunderbar …?«, hake ich aufmunternd nach.
Doch die Badenixe lächelt nur geheimnisvoll: »Sie werden sehen.«
Solche Kommentare ist der Watsu-Therapeut Christian Rothenbühler gewohnt. »Viele entspannen sich bei der Therapie so tief, dass sie gar nicht fassen, was mit ihnen geschieht«, erzählt er, als wir wenige Minuten später bis zur Brust ins 35 °C warme Wasser steigen. »Lassen Sie einfach alles auf sich zukommen. Schließen Sie die Augen und atmen Sie ruhig, ich hole Sie gleich ab«, fügt Rothenbühler hinzu.
Bevor mir klar wird, was Rothenbühler mit „abholen“ meint, spüre ich einen Arm um meine Schultern, der mich sanft wegzieht. Einen Augenblick später lösen sich meine Füße vom Boden und schon hänge ich im „Schlepptau“ des Watsu-Therapeuten. Geschickt navigiert er mich durchs spiegelglatte Wasser.
Alles geschieht mit sanften, ruhigen Bewegungen, die an Tai Chi erinnern. Der Watsu-Trainer versetzt meinen Körper in fließende Bewegungen, schaukelt und zieht ihn in ausholenden Kreisen durchs Wasser. Schwerelos schwebe ich dahin. Die zierlichen Kunststoffbänder, die Rothenbühler vor dem Gang ins Wasser um meine Knie legte, erweisen sich als effiziente Schwimmhilfen. Anstrengungslos behalten meine Beine Oberwasser, als läge ich im Toten Meer.
Während der Watsu-Therapie wird nicht geredet, sagte mir Christian Rothenbühler vorgängig am Telefon. Das wäre auch kaum möglich, denn in meinen Ohren rauscht das Wasser. Ich bin glücklich über die wasserfesten Gehörschutzpfropfen und gebe mich den ungewohnten Empfindungen hin.
Der Therapeut hat inzwischen begonnen, meinen Kopf, den Nacken und die Wirbelsäule mit sanftem Fingerdruck zu massieren. Jeder Griff ist behutsam und konzentriert. Da ist keine Spur von Hast oder „Murks“. Das pure Kontrastprogramm zu einer rasanten Sportmassage!
Watsu hilft, auf verschiedenen Ebenen loszulassen, habe ich vorgängig auf der Website des Instituts für Aquatische Körperarbeit gelesen. »Die Methode lindert chronische Schmerzen, löst Blockaden und Verspannungen, stimuliert den Energiefluss in den feinstofflichen Meridianen und fördert die Beweglichkeit.«
Letzteres spüre ich bereits nach wenigen Minuten. In den Händen des Therapeuten beginnt meine Wirbelsäule in sanft pendelnden, wellenförmigen Bewegungen zu tanzen. Auch die Hände, Ellbogen, Knie und Füße werden sanft geschüttelt und gelockert.
Immer wieder alternieren Massagegriffe, Bewegungsphasen und Ruhepausen. Zufrieden schwebe ich in einem gefühlten Kokon aus Wasser. Einfach nur sein. Geschehen lassen. Der Kontrast zum modernen Lebensgefühl könnte nicht größer sein! Draußen in den Strassen von Bern Lärm und Hektik. Hier drinnen Stille, Abschalten, Nichtstun.
Mit dem Fortschreiten der Watsu-Lektion werden meine Atemzüge und Gedanken immer langsamer. Bilder des Meeres tauchen vor dem inneren Auge auf. Es ist ein friedliches Meer. Eine Art Wasserparadies. Ohne Quallen, Seeigel und Haifische. Und dann verabschiedet sich mein Zeitgefühl. Die Zeit steht einfach still.
Wie viele Minuten sind vergangen? Keine Ahnung, wie lange ich im warmen Thermalwasser dahingeschwebt bin. Versunken in ein tiefes Gefühl der Ruhe und des Friedens. Nun verstehe ich, warum Watsu auch bei der Geburtsvorbereitung zum Einsatz kommt. Die werdende Mutter übt dabei spielerisch, Kontrolle abzugeben und dem Körper zu vertrauen. Außerdem fördert die Wassertherapie die Beweglichkeit in den Hüftgelenken und entspannt den Beckenboden.
Nach 60 Minuten ist der Watsu-Traum vorbei. Der Therapeut setzt mich sanft am Beckenrand ab, die Füße finden wieder Halt.
Ich fühle mich entspannt und energievoll, als sei ich soeben aus einem langen Urlaub zurück. Watsu ist ein Wundermittel zum Entspannen!
Rothenbühler nickt. »Ja, vorausgesetzt der Patient fühlt sich im Wasser wohl. Es braucht schon eine Portion Vertrauen, um sich von einem wildfremden Menschen blindlings in einem Pool herumziehen zu lassen. Für manche Menschen ist ein solcher Körperkontakt zu eng.«
Das ist auch der Grund dafür, warum jeder Watsu-Therapie ein Gespräch vorausgeht. Watsu-Badegast und Therapeut können im Gespräch erspüren, ob genug Sympathie und die Bereitschaft zu körperlicher Nähe vorhanden sind. »Niemand sollte sich wider das eigene Empfinden behandeln lassen«, sagt Rothenbühler.
Ausserdem klärt jeder seriöse Therapeut vorgängig ab, ob der Patient Probleme am Bewegungsapparat oder psychiatrische Probleme hat. Letzteres ist wichtig, weil Watsu intensive Gefühle auslöst. Menschen mit Abgrenzungsschwierigkeiten oder mangelnder Bodenhaftung kann das überfordern.
Watsu wurde Anfang der 1980er Jahre durch den Shiatsu-Therapeuten Harold Dull im kalifornischen Hot Springs entwickelt. Harold hatte bei seinen Patienten beobachtet, dass das Stretchen im Wasser tiefer wirkt als auf der Behandlungsliege. Seine Methode hat sich insbesondere bei folgenden Beschwerden bewährt:
Nervosität und weitere Stressbeschwerden
Tiefsitzende muskuläre Verspannungen.
Behinderungen am Bewegungsapparat
*
KONTAKTE
Die Adressen von qualifizierten Watsu-Therapeutinnen und -Therapeuten bekommst Du beim Institut für
Aquatische Körperarbeit Schweiz in Schüpfen.Tel. CH 031 872 1818
E-Mail: info@iaka.ch
www.watsu.ch/praktizierende
Eine Stunde Watsu kostet zwischen 100 und 220 CHF. Watsu wird in den Bädern von Wellness-Spas, Spitälern und Pflegeheimen angeboten.
*
Petra Horat
dipl. Naturärztin NVS
Journalistin für Ganzheitsmedizin
*
VIDEO
Dieses anschauliche Video vermittelt einen realitätsnahen Einblick in die entspannende und belebende Wirkung von Watsu (Dauer 16 Min.).
Für ein weiteres Video hier clicken.
*
In der Schweiz gibt es über 100 qualifizierte Watsu-Therapeuten.
Adressen über www.watsu.ch/praktizierende
Tel. 031 872 18 18
E-Mail: info@iaka.ch
Therapeuten in Deutschland unter watsu.de
Wata – Entspannung für Fortgeschrittene
Watsu, ein Kürzel für «Water» und «Shiatsu», wurde durch den amerikanischen Zen-Shiatsu-Therapeuten Harold Dull entwickelt. Er entdeckte 1980, dass sich die Entspannungswirkung der japanischen Druckpunktmassage im Wasser steigern lässt.
Die Wassertherapie wurde inzwischen weiterentwickelt – zu Wata bzw. Wasser-Tanzen. Der Kopf des Patienten wird dabei – mit einer Nasenklemme versehen – ober und unter der Wasseroberfläche bewegt. Watsu und Wata sind geschützte Begriffe, die nur von Behandelnden benutzt werden dürfen, die den Lehrgang des Instituts für Aquatische Körperarbeit IAKA erfolgreich absolviert haben.
*
Hier entdecken Sie mehr Gesundheit von gesundheitsjournalistin.ch