Selbsthilfe bei Typ-2-Diabetes

Frau mit Übergewicht: Hilfe zur Selbsthilfe für Typ-2-Diabetiker

Westliche Ernährungsmediziner und chinesische TCM-Ärzte weisen darauf hin, dass sich Typ-2-Diabetes oft heilen lässt. Sie ermutigen Typ-2-DiabetikerInnen zur Selbsthilfe und geben ihnen praktische Hilfsmittel in die Hand.

 

Intakte Erfolgschancen
Die Heilungschancen für den Typ-2-Diabetes sind intakt. So lautet die langjährige Erfahrung des Diabetologen und Ernährungsmediziners Dr. Matthias Riedl, Leiter des medicum Hamburg, ein interdisziplinärer Beratungszentrum für Diabetes, Übergewicht und ernährungsbedingte Erkrankungen.

Frühzeitig handeln
«Entdeckt man den Diabetes frühzeitig, sind die Heilungschancen gross. Wird die Erkrankung spät entdeckt, besteht immer noch die Möglichkeit, vom Insulin wieder loszukommen und die Tablettendosis deutlich zu senken. Auch beim Typ-1-Diabetes lässt sich die Medikation oft reduzieren.»

Seit 10 Jahren medikamentenfrei
Diese Erfahrung teilt Prof. Dr. Marc Donath, Diabetologe und Endokrinologe am Universitätsspital Basel: «Ich habe eine ganze Reihe von Patienten, denen es gelungen ist, den Diabetes loszuwerden. Einer von ihnen benötigt seit zehn Jahren keine antidiabetischen Medikamente mehr.»

Die Situation erfassen
«Am Anfang steht die Analyse der bisherigen Ernährungsgewohnheiten», sagt Ernährungsmediziner Matthias Riedl. «Das funktioniert wie eine Unternehmensanalyse: Welche Bereiche sind gesund, wo gibt es etwas zu verbessern?»

Männerfehler versus Frauenfehler

Matthias Riedl hat bei Diabetikern geschlechterspezifische Ernährungsfehler beobachtet: Männer würden oft den Fehler machen, abends ein grosses Stück Fleisch zu essen, das den gesamten Eiweissbedarf des Tages decke. «Ein Teil davon wird gebraucht, der Rest landet im Fettgewebe», sagt Matthias Riedl. Das fördert Übergewicht und die Insulinresistenz der Zellen. Dabei sei es wichtig, «angemessen dosierte Portionen von Eiweiss über den Tag zu verteilen.»
Frauen dagegen würden sich häufiger bei den Hauptmahlzeiten zurückhalten, aber zwischendurch mehr naschen. Das fördert die Neigung zum Diabetes.

Diäten? Nicht alltagstauglich.
Es ist noch nicht lange her, da wurden Diabetes-Patienten zu Extremdiäten angehalten. Inzwischen setzen sich die meisten Experten für eine moderate und vor allem schrittweise Optimierung der Ernährung ein. «Das erhöht die Erfolgschancen deutlich», sagt Matthias Riedl.

Der Weg zum Therapie-Erfolg
Eine langfristig erfolgreiche Ernährungsumstellung umfasst aus Sicht der modernen Ernährungsmedizin vier Punkte:

EINS: Weißen Zucker und Weißmehl streichen. Stattdessen komplexe Kohlenhydrate essen (z.B. Hirse, Polenta und Hafer). Diese stabilisieren den Blutzuckerspiegel im Gegensatz zu Zucker und Weißmehl.

ZWEI: Deutlich mehr Gemüse, Salat und Hülsenfrüchte essen.

DREI: Gezuckerte Getränke und Säfte durch Wasser und Kräutertees ersetzen.

VIER: Fertigprodukte, Industriezucker, Weissmehl, Transfette und Alkohol meiden.

Die Konstitution zählt

Diese diätetischen Grundsätze empfiehlt auch die Traditionelle chinesische Medizin TCM. Allerdings ist ihre Sicht auf die diabetische Erkrankung noch differenzierter. Denn sie unterscheidet mehrere Ursachen der Erkrankung und beachtet zudem die individuelle Konstitution des Patienten.

Diabetes in der TCM
So hat die chinesische Medizin beispielsweise beobachtet, dass bei den meisten Diabetikern das Zusammenspiel von Magen, Milz und Bauchspeicheldrüse gestört ist. Sie bezeichnet das als „Störung der Mitte“. Dieses Ungleichgewicht lässt sich durch eine Ernährungsoptimierung und Naturheilmittel beheben.

Diabetes ist nicht Diabetes
Wichtig sind dabei die vorherrschenden Symptome des Patienten. Sie weisen auf die zugrunde liegenden Ursachen hin. So ist zum Beispiel der eine Diabetiker ein „Fülletyp“, der andere ein „Mangeltyp“. Beide Typen werden in der TCM unterschiedlich behandelt.

Was bedeutet Fülle?
Einen Fülletyp erkannt man am Übergewicht, am roten Gesicht, der lauten Stimme und allgemein an „viel Energie“. Dieser Typus benötigt mehr Kühles, also viel mehr Gemüse. Lebensmittel, die Hitze erzeugen, tun dem Fülletyp gar nicht gut. Dazu gehören vor allem Alkohol und scharfe Gewürze.
Was bedeutet Mangel?
Einen „Mangeltyp“ erkennt man in der Regel an der blassen Haut, der Neigung zu Durchfall und dem schwachen Appetit. Diese PatientInnen sollten vermehrt Nahrungsmittel essen, die Wärme und Kraft spenden. Zum Beispiel Fleisch und Kraftsuppen.

Den Magen stärken

 

Bei Diabetes muss auch der Magen gestärkt werden.
Nicht wenige Diabetiker haben aus Sicht der chinesischen Medizin einen „überhitzten“ Magen. Das äussert sich gerne in Heisshunger und Sodbrennen.
Einem „überhitzten“ Magen tun saftige und kühlende Speisen gut. Beispielsweise Suppen und Frucht-Kompotte.
Alles, was erhitzt, wird dagegen gemieden: Alkohol, scharfe Gewürze, auch Ingewer, Zwiebeln und Knoblauch sowie die meisten Fleischsorten.
Die Milz stärken
Bei Diabetes müssen Magen, Milz und Pankreas gestärkt werden.
Viele Diabetiker haben zudem eine geschwächte Milzenergie. Die Milz liebt sanfte Wärme. Sie kann mit einem warmen, gekochten Frühstück und regelmässigen Mahlzeiten aufgebaut werden. Umgekehrt wird die Milz durch ein Zuviel an roher, gekühlter Nahrung geschwächt. Industriezucker und Süßigkeiten können die Milz sogar direkt schädigen.
Das gesamte Paket
Die Münchner Heilpraktikerin und TCM-Spezialistin Roswitha Hauke hat eine hilfreiche Diplomarbeit über die Behandlung von Diabetes mit TCM geschrieben.  Sie erläutert darin, wie die TCM bei Diabetes mit Diätetik, Akupunktur, Qigong und Tuina arbeitet.
Top-Nahrungsmittel bei Diabetes
Erbsen sind gut für Diabetiker
Roswitha Hauke listet in ihrer Diplomarbeit  Lebensmittelm, welche die TCM besonders häufig bei Diabetes empfiehlt. Dazu zählen vor allem: Weizen, Klebreis, Hirse, Schwarze Sojabohnen, Mungbohnen, Tofu, Erbsen, Rettich, Stangensellerie, Spinat, Süßkartoffeln, Pakchoy, Gerstengraupen, Grüne Bohnen, Weiße Rüben, Wintermelonen, Birnen, Mandarinen, Pflaumen, Kokosnuss, Kiwi, Meeresfrüchte, Fasan, Ente, Gans, Taube, Hase, Kaninchen, Milch, Butter und Schafmilch.

Salzig, süss, sauer
„Fast alle empfohlenen Lebensmittel wirken kühl bis neutral“ schreibt Roswitha Hauke. „Der Geschmack ist meist süß, teilweise salzig, bei den Früchten süß und sauer.“ Auch das: kein Zufall!

Vorsicht bei Weizen, Butter, Milch
Einzig Weizen, Milch und Butter werden bei Diabetes mit Vorbehalt empfohlen. Denn alle drei Lebensmittel erzeugen Feuchtigkeit. Hier entscheidet der TCM-Arzt aufgrund der individuellen Symptome.

Zimt? Moment mal! 
Wer im Internet herumstöbert, wird irgendwann auf die Empfehlung stossen, bei Diabetes Zimt einzunehmen. Das Gewürz soll den Blutzucker senken. Dazu hat die TCM eine differenzierte Sicht:  „Zimt wirkt  stark erwärmend“, erklärt die Wiener TCM-Expertin Katharina Ziegelbauer. „Dieses Gewürz kann innere Hitze erzeugen. Und damit den Yin-Mangel verstärken, der bei Diabetes fast immer dabei ist.“

Hitzesymptome ernst nehmen
Die österreichische TCM-Ernährungsberaterin Katharina Ziegelbauer empfiehlt deshalb, Zimt zu meiden bei  folgenden „Hitzesyptomen“:  rote Wangen, heiße Füße, Hitzewallungen, Nachtschweiß und Unverträglichkeit von äußerer Hitze.

Ginseng? Mit Bedacht. 
Auch Ginseng wird im Internet  häufig als „Diabetes-Heilmittel“ empfohlen. Dazu sagt Katharina Ziegelbauer: „Ginseng  ist ein starkes Qi-Tonikum. Bei hohem Blutdruck ist er mit Vorsicht zu genießen!“

Hauptsache Eigenverantwortung
Das Fazit? TCM und westliche Ernährungsmedizin ermutigen Diabetes-Betroffene, ihre Erkrankung in die eigenen Hände zu nehmen. Erfolgt keine ursächliche Behandlung, kann die Erkrankung fortschreiten. Trotz Medikamenten.

Insulin fördert Übergewicht
Ausserdem beeeinträchtigt die Gabe des Hormons Insulin die Fettverbrennung. Das befeuert den Teufelskreis von Insulinresistenz und Übergewicht.

Forscher untersuchen das Fasten
Auf der Suche nach natürlichen Therapiemöglichkeiten für Diabetes-2 haben westliche Forscher auch das Fasten untersucht. Studien zeigen, dass Fasten die Insulinresistenz reduziert. Bereits ein mehrstündiges Fasten zwischen den Mahlzeiten entlastet die Bauchspeicheldrüse und wirkt vorbeugend.

Intermittierendes Fasten 

Noch mehr Nutzen erzielt, wer zwischen Abendessen und Frühstück 14 bis 16 Stunden lang nichts isst. Untersuchungen zeigen, dass solche Essenspausen Blutdruck, Blutzucker, Cholesterin- und Entzündungswerte positiv beeinflussen. Ausserdem ist das Risiko des Überkompensierens am Folgetag kleiner, wenn man mehr oder weniger „schlafend“ fastet.

Intervall-Fasten so wirksam wie ein Medikament
Die Forschung wird in den nächsten Jahren weitere Puzzleteile zusammentragen. Da ist zum Beispiel eine randomisierte, kontrollierte TeLiPro-Studie des Düsseldorfer Diabetologen Prof. Dr. Stephan Martin. Sie zeigt, dass man mit einer Lebensstilveränderung selbst nach jahrelangem Typ-2-Diabetes so viel erreichen kann wie mit einem potenten Antidiabetikum.

Auch die Psyche zählt 
Dr. Stephan Martin behandelte 93 Probanden mit Typ-2-Diabetes wie folgt:
– Die Probanden stärkten ihre Motivation mit täglichem Mentaltraining.
– Sie optimierten ihre Ernährung mit Hilfe einer Fachperson.
– Sie nutzten einen Schrittzähler und bewegten sich mehr.
– Sie führten täglich mehrere Blutzuckermessungen durch.

Es geht bergauf
Dr. Stephan Martin sagt dazu: «Bei Typ-2-Diabetes ist eine Lebensstiländerung entscheidend. Bevor der Patient Tabletten einnimmt, soll er seine Lebensweise ändern. In der Praxis fällt es Menschen jedoch häufig schwer, ihre Gewohnheiten zu ändern.» Hier setze ein Selbsthilfe-Programm wie TeLIPro an. Und weiter: «Wir müssen aufhören mit der Mentalität, dass jeder in unserem Land seinen Körper zugrunde richten kann. Wir müssen den Diabetikern Hilfe zur Selbsthilfe geben!»
In Deutschland ist eine Teilnahme am TeLIPro-Programm über ausgewählte Allgemeinmedizin-Praxen oder Diabetes-Schwerpunktpraxen möglich. Kontakte siehe unten.

Die ErnährungsDocs
Auch die Hamburger ErnährungsDocs arbeiten seit vielen Jahren erfolgreich mit Typ-2-Diabetikern. Hier sehen Sie eine einschlägige   Sendung des NDR mit dem Diabetologen Dr. med. Matthias Riedl.

 

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Adressen von qualifizierten Ernährungsberatern bekommt man bei den lokalen Diabetes-Beratungsstellen und beim Schweizerischen Verband der Ernährungsberater/innen SVDE
Tel.: 031 313 88 70
www.svde-asdd.ch

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Adressen von Ärzten mit einer Schwerpunktpraxis Ernährungsmedizin bekommt man beim Bundesverband deutscher Ernährungsmediziner
Tel.: +49 201 799 89 311
Internet: www.bdem.de
medicum Hamburg
Beratungsstelle für Diabetes, Übergewicht und ernährungsbedingte Erkrankungen
Tel. +49 40 807 97 90
www.medicum-hamburg.de

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Zuerst krank, dann Berufsverbot
Die Diagnose „Diabetes mellitus Typ 2“ war für den Schweizer Berufsfahrer Walter Lüscher ein Schock. Er müsse in Zukunft täglich Insulin spritzen, sagten die Ärzte. Ein Pfleger riet ihm im Krankenhaus. «Bewegen Sie sich möglichst viel, das könnte helfen!»

Treppe rauf und runter
Sportschuhe gehen bergauf: Hilfe zur Selbsthilfe für Typ-2-Diabetiker
Ab sofort lief der 53-Jährige aus dem Luzernischen Meisterschwanden täglich mehrmals die sieben Stockwerke des Krankenhauses hinauf und hinunter. Aus dem Spital entlassen, halbierte er seine Essportionen und wanderte jeden Tag rund 10 Kilometer in flottem Tempo durch die Natur.

„Rosskur“ wirkte
Die Rosskur zeigte Wirkung: Nach einem Monat war Walter Lüscher weg von der Insulinspritze. Er durfte wieder Auto fahren.

Vom Insulin loskommen
Walter Lüscher ist kein Einzelfall. Tausende von Typ-2-Diabetiker haben ihren Blutzuckerspiegel mit Sport und Ernährungsanpassung in den grünen Bereich gesenkt.

Erfolg auf Zeit
Nach wie vor läuft Walter Lüscher einmal pro Woche rund um den Hallwylersee. Er hat 20 Kilo Gewicht verloren und will weitere zehn Kilo abnehmen, um seinen Blutzuckerspiegel dauerhaft im Normalbereich zu halten.

Wirkung ist belegt
Studien belegen, dass Sport gegen Diabetes hilft. Der Grund? Körperliche Bewegung macht die Zellen empfänglicher für das blutzuckersenkende Hormon Insulin und hat weitere «antidiabetische» Wirkungen. Der Fettstoffwechsel normalisiert sich. Körperfett wird abgebaut. Der Blutdruck sinkt und die Gefässsituation verbessert sich.