Sie essen öfters zu viel Süßes, Salziges oder Fettiges? Weil Sie frustriert, traurig oder gelangweilt sind? Mit diesem Problem sind Sie nicht allein: Das Essen aus emotionalen Gründen ist weit verbreitet. Drei Tricks können Ihnen helfen, die Sucht nach Essen zu besiegen.
Worum geht es bei der Sucht nach Essen? Der englische Begriff „Comfort-Eating“ erhellt den Hintergrund. Comfort bedeutet „Trost“ oder „Behaglichkeit“. Mit anderen Worten: Menschen, die immer wieder zu viel essen – Comfort-Eater eben – essen, um sich zu trösten. Sie essen, um sich behaglicher zu fühlen. Zum Beispiel, weil sie gestresst sind, nervös, ungeduldig, besorgt, wütend, frustriert oder gelangweilt.
Die langjährig erfahrene Ernährungsberaterin Margreth Brühl hat in ihrer Praxis tiefe Einblicke in das Phänomen der Esssucht beziehungsweise des Comfort-Eating gewonnen: »Bildhaft ausgedrückt ziehen sich Comfort-Eater Pantoffeln an«, sagt sie. »Mit dieser Fußbekleidung fühlen sie sich wohl und entspannt.« Doch die Taktik funktioniert nur vorübergehend.
Denn »die Sucht nach Essen ist weder gesundheitsfördernd noch gewichtsfreundlich«, sagt Margreth Brühl. »Auf Dauer beeinträchtigt das Essen aus emotionalen Gründen das Wohlbefinden deutlich .«
Mit anderen Worten: Die Sucht nach Essen macht auf Dauer dick, krank und traurig.
Was Menschen, die süchtig nach Essen sind, wirklich brauchen, seien „seelische Wanderschuhe“, sagt die Fachfrau. »Solche Schuhe ermöglichen eine Entdeckungsreise, die näher zu sich selber führt.«
Jeder Comfort-Eater weiß, dass die innere Instanz, die sein Essverhalten steuert, ausschließlich am Jetzt orientiert ist. Gedanken an die Zukunft wie mögliches Übergewicht oder eine gewichtsbedingte Gelenkabnutzung, spielen im Augenblick des Essens keine Rolle.
»Deshalb ist für Comfort-Eater ein „Jetzt-Ziel“ hilfreich«, sagt Margreth Brühl. »Es macht keinen Sinn, dass sie Kalorien zählen oder dauernd überlegen, was sie essen dürfen und was nicht. Das ist zu kopfgesteuert und bringt auf Dauer nichts. Ein Jetzt-Ziel aber hilft Comfort-Eatern, sich aus den Fängen des emotional gesteuerten Essens zu befreien.«
Wie sieht ein solches „Jetzt-Ziel“ aus? Schritt eins:
• Bringen Sie Ihre Aufmerksamkeit ganz ins Hier und Jetzt.
• Nehmen Sie alle Körperempfindungen, die Gefühle und die Gedanken voll bewusst wahr, die Ihrem Wunsch zu essen vorausgehen.
Und jetzt stellen Sie sich vier Fragen:
• Hat mein Körper gerade biologischen Hunger?
• Wie fühle ich mich in diesem Augenblick?
• Drängen mich bestimmte Emotionen zum Essen drängen? Etwa Ärger, Langeweile, Nervosität, Frust oder ein anderes unangenehmes Gefühl?
• Wie fühlt sich mein Körper an?
Wie sich Ihr Körper anfühlt, finden Sie heraus, indem Sie insbesondere auf folgendes achten:
• Ihre Atmung.
• Ihr Körpergefühl, vor allem in Ihrem Bauch, Ihren Füßen und Ihrem Rücken samt Nacken.
Die meisten Menschen, die süchtig nach Essen sind, so Margrit Brühl, würden erst dank solchen Fragen lernen, ihren Körper, ihre Gefühle und ihre Gedanken bewusst wahrzunehmen. »Das aber ist der erste Schritt zur Heilung des eigenen Essverhaltens.«
Und was geschieht danach? Margreth Brühl rät:
• Untersagen Sie sich das Essen nicht, aber verschieben Sie den Beginn des Essens um einige Minuten!
Dieser Trick funktioniert bei fast allen Menschen. Bei manchen funktioniert er nicht, wenn sie hungrig sind. Zum Beispiel, weil sie am gleichen Tag eine Mahlzeit ausgelassen haben.
Dritter Trick:
• Überbrücken Sie den Zeitaufschub während mehreren Minuten mit etwas, das Ihnen gut tun. Bum Beispiel mit einer körperlichen Bewegung, mit Entspannung oder mit einem Blick in ein spannendes Buch.
Laut Margreth Brühl sollte die gewählte Beschäftigung „nicht kopflastig“ sein. Am besten finden Sie selber heraus, was Ihnen hilft!
Ist die Aufschiebezeit vorbei, können sie sich hinsetzen und den dritten Trick anwenden:
• Lassen Sie sich durch NICHTS in der Welt vom Essen ablenken. Tun Sie nichts anderes als einfach und wirklich nur ESSEN.
Margreth Brühl: »Hören Sie kein Radio, schauen Sie nicht fern, sorgen Sie, dass das Hände nicht in Griffnähe ist. Alle Ihre Gedanken sind jetzt nur auf das Essen gerichtet.«
• Und dann geschieht in der Regel folgendes: Plötzlich nehmen Sie den Geschmack, den Geruch und Ihre Empfindungen beim Essen viel deutlicher wahr.
Margreth Brühl: »Sie erleben das Knackige, Weiche, Knusprige, Glatte, Süße und Salzige der Lebensmittel. Sie nehmen alle Nuancen des Geschmacks in Ihrem Mund voll bewusst wahr.«
Diese Form des achtsamen Essens hat eine weitere, erfreuliche Wirkung: langsameres Kauen. Dieses führt über nerval-biochemische Prozesse zu einem Gefühl der Zufriedenheit und zu einer rascheren Sättigung.
Margreth Brühl: »Das Erstaunen der meisten Comfort-Eater ist groß, wenn sie das erste Mal erleben: Der achtsame Genuss eines einzigen Biskuits oder eines Stückchens Schokolade machen bereits zufrieden und glücklich!«
Für eingefleischte Comfort-Eater sind solche Erlebnisse beeindruckend. Umso mehr, als die meisten von ihnen selten richtig in die Nahrung hineinschmecken. Auch sind viele von ihnen überzeugt, dass das Essen großer Mengen genussvoll sei.
»In Wahrheit wird das Geschmackserlebnis nicht größer, je mehr man isst. Im Gegenteil: Es kommt mit zunehmendem Essen zu einem Rückgang der Wahrnehmung«, sagt die Expertin für Essensfragen.
Auf der Entdeckungsreise zum achtsamen Essen lernen Menschen, die regelmäßig zu viel essen, dass nicht der leer gegessene Teller oder die leere Chipstüte das Signal zum Aufhören sind. Sondern das eigene Körpergefühl. Und hier entscheidet in erster Linie das Sättigungsgefühl des Magens, wann Schluss ist mit Essen.
Wer das jahrelang anders gemacht habe, findet das oft ungewohnt oder sogar anstrengend. Die alten Essgewohnheiten werden einem am Anfang noch Streiche spielen. »Doch jeder Versuch, achtsam zu essen, prägt sich dem Gehirn ein«, weiss Margreth Brühl.
Allmählich entsteht ein neuer Datenpfad im Gehirn. Und dieser verwandelt sich mit jedem neuen Versuch in eine Datenautobahn, die das achtsame Essverhalten festigt. Sodass man mit der Zeit gar nicht mehr anders als achtsam und langsam essen möchte!
Auch sollten sich Menschen, die regelmässig zu viel essen, bewusst machen, welche Denkmuster und Verhaltensweisen die Sucht nach Essen befeuern. Auch hier hilft vor allem eins: sich selber aufmerksam beobachten.
»Solche Entdeckungen tragen dazu bei, die innere Freiheit zu entfalten«, sagt Margreth Brühl. »In jedem Menschen schlummern Begabungen und Qualitäten, die es erlauben, ein Gefühl wie Langeweile konstruktiv umzuwandeln. Statt automatisch zu Schokolade oder Kuchen zu greifen, denken Sie sich nun alternative Verhaltensstrategien aus. So erforschen Sie ihr eigenes Potential und nutzen es.«
Auch die Selbstgespräche von Comfort-Eatern und Esssüchtigen bieten häufig Optimierungsbedarf. Margreth Brühl hat beobachtet, dass viele Comfort-Eater und Übergewichtige dazu neigen, sich selbst Vorwürfe zu machen, sich zu beschimpfen oder gar zu erniedrigen, wenn sie kulinarisch über die Stränge hauen. Es sei deshalb wichtig, so die Therapeutin, dass Sie sich immer wieder fragen:
• Wie rede ich eigentlich mit mir?
• Würde ich auch mit anderen so reden?
Denn eine freundschaftlich-unterstützende Einstellung zu sich selbst erleichtert den Umgang mit negativen Gefühlen und harmonisiert das Essverhalten tiefgreifend.
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