Erst reinigen, dann heilen. So lautet ein Grundsatz der Naturheilkunde. Auch das Schwitzbad folgt dieser zeitlosen Regel. Richtig durchgeführt, befreit es den Körper von Gift- und Schadstoffen und regt die Selbstheilungskräfte tiefgreifend an.
«Würde Aphrodite heute dem Meeresschaum entsteigen, sie hätte sicher Furunkel am Hintern.» Mit diesen Worten kritisierte der Meeresforscher-Pionier Jacques-Yves Cousteau (1910 bis 1997) den Zustand der Weltmeere. Ökologisch betrachtet ist Cousteaus Kommentar heute aktueller denn je. Doch wahrscheinlich hätte die schöne Aphrodite ihr Wohlbefinden längst in die eigenen Hände genommen und sich in einer ägäischen Thermalquelle von allfälligen Furunkeln befreit.
Das Schwitzbad wird seit Jahrtausenden zur Behandlung zahlreicher Beschwerden und Erkrankungen eingesetzt. Vor der antibiotischen Ära entwickelten die Ärzte das Wärmebad in jahrhundertelangen Bemühungen zu einer wahren Kunst. Sie erzielten damit große Heilerfolge, u. a. in der Behandlung von Infektionskrankheiten. Ein Teil dieses beachtlichen Wissens gelangt noch heute in naturheilkundlich orientierten Kliniken zur Anwendung (Adressen siehe unten).
Den gesundheitlichen Nutzen des Schwitzbads verdanken wir der Haut. Sie ist neben Leber, Lunge und Nieren das wichtigste Reinigungsorgan des Körpers. Ihre natürliche Fähigkeit, wasser- und fettlösliche Schadstoffe auszuscheiden, wird im Schwitzbad um ein Vielfaches gesteigert. Das Wärmebad zwingt die Blutkapillaren zu einer wahren Heilgymnastik: Die Kapillaren weiten sich und es kommt zu einer intensiven Mehrdurchblutung von Haut, Bindehaut und inneren Organen.
Schad- und Krankheitsstoffe werden aus dem Bindegewebe gezerrt, vom beschleunigten Blutstrom mitgerissen und weiter getrieben. Bis sie über Haut, Nieren, Leber oder Lunge zur Ausscheidung gelangen. Dabei vernichtet die Naturarznei aus Wasser und Wärme eine Vielzahl von hitzeempfindlichen Krankheitserregern. Sie stimuliert die Immunzellen in der Haut,verbessert die für die Abwehrkraft so wichtige Lymphzirkulation und reduziert den Tonus der Körpergewebe. All das wirkt krampflösend und entspannend.
Wiederholt durchgeführt, also einmal monatlich bis mehrmals wöchentlich, kann das Schwitzbad bei zahlreichen gesundheitlichen Beschwerden helfen: von hartnäckigen Muskelverspannungen über die Grippeprophylaxe bis hin zu Erkältungskrankheiten und chronischen Hautbeschwerden (siehe Indikationen am Ende dieses Beitrags).
Doch Bad ist nicht gleich Bad. Die Hydrotherapie nach Sebastian Kneipp führt uns das vor Augen: Jede Wasseranwendung hat ihre eigene Wirkungsweise – abhängig von Wassertemperatur, Dauer und Art der Durchführung. Beim Schwitzbad ist das genauso. Aus diesem Grund dürfen viele Schwitzbäder nur auf ärztliche Verordnung hin durchgeführt werden. Oder in physiotherapeutischer Begleitung. Beispielsweise das Schlenzbad, benannt nach der Österreicherin Maria Schlenz, die mit ausgedehnten Vollbädern samt Nachschwitzen spektakuläre Heilerfolge erzielte.
Trotzdem brauchen Sie nicht ganz auf ein privates Schwitzbad zu verzichten.Wer beispielsweise Hautunreinheiten unbekannter Ursache in Eigenregie behandeln will, kann in den eigenen vier Wänden eine Leichtversion des Schwitzbades durchführen. Am besten abends, etwa zwei bis drei Stunden vor dem Schlafengehen, wenn das Abendbrot den Magen passiert hat. Kontraindikationen vorbehalten! Bitte schauen Sie sich dazu die Informationen am Ende dieses Beitrags an.
Bevor Sie den Wasserhahn Ihrer Badewanne aufdrehen, sollten Sie eine bis zwei große Tassen Linden- oder Holunderblütentee zubereiten, um den Schwitzvorgang von innen her einzuleiten. Lassen Sie den Tee fünf bis zehn Minuten ziehen und trinken Sie ihn möglichst warm. Auch sollten Sie vor dem Schwitzbad nach Möglichkeit Blase und Darm entleeren. In der Naturheilpraxis wird der Dickdarm vor dem Bad gerne mit einem Einlauf entleert, um die Entgiftungswirkung des Schwitzbades zu vertiefen.
Das Halbschwitzbad ist ein einfach durchzuführendes Bad. Es wird in aller Regel auch von älteren Personen gut vertragen. Wie der Name sagt, handelt es sich dabei um ein halbes Bad.
• Als Erstes lassen Sie etwa 20 Zentimeter hoch warmes Wasser in die Badewanne einlaufen. Die Temperatur sollte 36 bis 37 °C betragen (Badethermometer). Ist das Wasser zu heiß, ziehen sich die Poren zusammen. Das behindert den Entschlackungsprozess.
• Setzen Sie sich in die Wanne und lassen Sie 10 bis 15 Minuten lang heißes Wasser zulaufen, jedoch nur bis zum Nabel.
• Sollte das Wasser höher steigen, müssen Sie zwischendurch etwas Wasser ablaufen lassen. Die Nabelgrenze lenkt das Blut in den Unterkörper und entlastet das Herz.
Falls Ihnen zu heiß wird, drehen Sie den Wasserhahn zu und warten einen Augenblick. Sobald Sie sich an die Temperatur gewöhnt haben, lassen Sie wieder heißes Wasser zulaufen.
• Wer mag, kann einen pflanzlichen Badezusatz beigeben, z.B. einen Kräutertee aus Heublumen, Lavendelblüten, Schachtelhalmkraut oder Zinnkraut.
• Um die Durchblutung der Haut und der darunter liegenden Gewebe und Organe zusätzlich anzukurbeln, kann man Beine, Kreuzbein und Bauch sanft bürsten. Die Haut darf sich dabei ruhig röten. Sie ist ein robustes Organ, das kräftige Drainagen gut verträgt. In der naturheilkundlichen Klinik ist das Abbürsten Standard. Auch deshalb, weil es den Patienten «beschäftigt» hält. Und die Hitze erträglicher macht, die zum Beispiel bei einem Schlenzbad 60 Minuten lang auf den Badenden einwirkt.
Beim Schwitzbad in den eigenen vier Wänden ist die Höchsttemperatur dagegen bereits nach 15 Minuten erreicht. Wie hoch das Badethermometer klettert, hängt von Ihrem persönlichen Körpergefühl und Wohlbefinden ab: Das Wasser sollte sich heiß, aber nicht unangenehm heiß anfühlen und 40 bis 41 °C nicht übersteigen.
Falls Sie ein unangenehmes Herzklopfen, Unwohlsein oder Schwindel spüren sollten, ist das ein Zeichen dafür, dass das Wasser entweder zu heiß ist oder dass Sie die Temperatur zu rasch gesteigert haben. Lassen Sie in diesem Fall sofort kaltes Wasser nachlaufen. Grundsätzlich empfiehlt es sich, Schwitzbäder in Anwesenheit einer zweiten Person durchzuführen, die bei Bedarf helfen kann. Nach Erreichen der persönlichen Höchsttemperatur verweilen Sie weitere drei bis fünf Minuten im Wasser, insgesamt also etwa 20 Minuten.
Steigen Sie aus der Wanne, trocknen Sie sich flüchtig ab (bzw. lassen sich abtrocknen) und hüllen sich in einen Bademantel oder ein trockenes Leinentuch. Danach legen Sie sich sofort ins Bett, um 30 bis 60 Minuten nachzudünsten.
Diese Phase, auch Trockenpackung genannt, steigert die schweißtreibende Wirkung des Schwitzbades erheblich. Dass das Reinigungsorgan Haut auf Hochtouren arbeitet, merken Sie spätestens dann, wenn Ihnen der Schweiß nach fünf bis zehn Minuten aus allen Poren rinnt.
Voraussetzung dafür ist, dass Sie ordentlich eingepackt sind: Unter Ihrem Körper liegen zwei große Frottiertücher und ein Leinentuch, die den austretenden Schweiß auffangen. Über Ihnen liegt ein weiteres Leinentuch, darüber zwei Wolldecken und eine Daunendecke. Auch Hals und Kopf müssen bestmöglich verpackt sein, damit keine Wärme entweichen kann. Nur das Gesicht darf herausschauen.
Nun brauchen Sie nichts weiter zu tun, als in Ihrer warmen Betthöhle vor sich hin zu dösen und an etwas Angenehmes zu denken. Zum Beispiel daran, dass Ihre rund drei Millionen Schweißdrüsen gerade eine Menge Schad- und Giftstoffe ausscheiden, die Sie auf normalem Weg nicht so rasch losgeworden wären.
Frühestens nach 30 Minuten, besser nach einer Stunde, dürfen Sie den eigenen Dunstkreis wieder verlassen. Steigen Sie aus dem Bett und stellen Sie sich sofort unter die Dusche, um mit Wasser und Seife alle verbleibenden fett- und wasserlöslichen Schadstoffe von der Haut zu entfernen.
Wenn Sie mögen, können Sie erneut etwas Kräutertee oder Wasser mit Zitronensaft trinken. Danach sollten Sie das Nachtgewand anziehen und sich ins Bett legen, das Sie dank Frottée-Schutztüchern und Leinentuch nicht extra neu zu beziehen brauchen. Das wunderbare Gefühl, soeben eine Generalreinigung erlebt zu haben, wird Sie in einen tiefen, erholsamen Schlaf begleiten.
Wer ein gesundes Herz und einen ebensolchen Kreislauf hat, darf das Halbschwitzbad in ein Ganzschwitzbad verwandeln. Legen Sie sich hierfür der Länge nach bis zum Kinn ins Wasser. Eine kalte Kompresse auf der Stirn reduziert den Blutandrang in den Kopf. Da dieses Schwitzbad noch intensiver wirkt als das Halbschwitzbad, müssen Sie die Signale Ihres Körpers besonders aufmerksam beobachten und das Bad nach spätestens 15 Minuten verlassen.
Kontraindiziert, also verboten, ist das Schwitzbad bei defekten Venen, Venenentzündungen und Venenthrombosen. Auch frisch operierte, fiebernde, stark geschwächte oder erschöpfte PatientInnen sowie Personen mit Herz-Kreislauf-Problemen sollten eine andere Entschlackungsmethode wählen. Beispielsweise Waschungen nach Kneipp sowie heilpflanzliche und diätetische Maßnahmen.
Bei Krampfadern kann man auf ein hyperthermisches Fußbad ausweichen, das den Wärmeorganismus und die Abwehrkräfte ebenfalls sehr positiv beeinflusst. Vorgehen:
– Etwas Wasser von 35 °C in die Badewanne laufen lassen und die Füße hineinstellen. Nun während 15 Minuten immer heißeres Wasser zulaufen lassen, bis maximal 39 °C.
– Das Wasser sollte nur die Knöchel umspielen und nicht bis zu den Waden hochsteigen.
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Das Schwitzbad, auch hyperthermisches Bad oder Überwärmungsbad genannt, kann bei einer ganzen Reihe von gesundheitlichen Beschwerden helfen. Zum Beispiel bei folgenden Indikationen:
• Erkältungskrankheiten wie Schnupfen, Nebenhöhlenentzündung, Angina oder Bronchitis
• Grippeprophylaxe;
• diverse Infektionskrankheiten, zum Beispiel Blasen- und Nierenentzündung
• chronische Verstopfung
• nicht-entzündliches Gelenkrheuma
• Neuralgien, Muskelverspannungen und Rückenschmerzen (z. B. Ischias)
• Beschwerden, die nach naturheilkundlichem Verständnis häufig mit einer Autointoxikation einhergehen, z. B.
Migräne, Juckreiz sowie zahlreiche Hautbeschwerden – von Akne bis Ekzeme
• zur Schmerzlinderung
• als Begleitmaßnahme für bestimmte Tumorerkrankungen (nur in einer Klinik)
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Folgende Kliniken in der Schweiz und Deutschland führen hyperthermische Bäder unter fachkundiger Aufsicht durch. Der Patient wird während der ganzen Dauer des Bades engmaschig überwacht.
• Ita Wegman-Klinik, Pfeffingerweg 1, CH-4144 Arlesheim, Tel. (0041) (0)61 705 71 11
• Lukas-Klinik, Onkologische Spezialklinik, Brachmattstr. 19, CH-4144 Arlesheim,
Tel. (0041) (0)61 706 71 71
• Paracelsus-Krankenhaus, Burghaldenweg 60, DE-75378 Bad Liebenzell
Tel. (0049) (0)7052 92 51 000, E-Mail: info@paracelsus-krankenhaus.de
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