Die Prämien der Krankenkassen gehen für viele ans Eingemachte. Entsprechend gross ist die Hoffnung in der Bevölkerung, die Gesetzesvorlage «Efas» möge den Steilflug der Prämien endlich bremsen oder gar stoppen. Wird das geschehen?
Betrachten wir zunächst das Hauptargument der Gesetzesvorlage, über die Sie in der Schweiz am 24. November 2024 abstimmen konnten: Efas präsentiert sich als treibender Motor einer kostensenkenden „Ambulantisierung». Denn in der Schweiz erfolgen immer noch zu viele Eingriffe im Spital statt ambulant.
Anfang ist gemacht
Tatsächlich besteht das einfachste kostensenkende Mittel darin, Leistungen festzulegen, die von den Spitälern ambulant – also innert maximal 24 Stunden – durchgeführt werden müssen.
Eine solche vom Bund erstellte Liste gibt es seit mehreren Jahren. Sie hat bereits zu Einsparungen von über 30 Millionen Schweizer Franken geführt und lässt sich weiter sinnvoll ausbauen: Fazit? Die Ambulantisierung kommt auch ohne Efas voran.
„Einheitlichere Finanzierung“
Als zweites Hauptargument nennt die Gesetzesvorlage eine „einheitlichere Finanzierung der Leistungen“ im Schweizer Gesundheitswesen. Das klingt verlockend. Es weckt Assoziationen zu Einfachheit, Transparenz, weniger Bürokratie und damit Kostenreduktion. Doch stimmt das auch?
Fragezeichen 1: Langzeitpflege
Prüfen wir das am Beispiel der Langzeitpflege. PatientInnen mit Spitex-Bedarf, in Pflegeheimen und Altersheimen profitierten bis anhin von einem Kostendeckel von 20 Prozent. Diesen Deckel will Efas kippen.
Die Folge davon sind ungedeckelte, also nach oben offene Kosten für PatientInnen mit Spitex-Bedarf und in der Langzeitpflege.
Wer soll das bezahlen?
Schätzungen zufolgen sollen sich die Kosten für Spitex, Altersheime und Pflegeheime in den nächsten Jahrzehnten in etwa verdoppeln. Nach dem Willen von Efas sind diese Kosten in Zukunft schwergewichtig über die Krankenversicherer zu decken. Mit anderen Worten: Über die Prämienzahlenden.
Freie Bahn
Vorläufiges Fazit: Die öffentliche Hand schleicht sich schrittweise aus der Verantwortung für die Alters- und Pflegeheime und für die Spitex. Dafür erteilt Efas den Krankenkassen mehr Macht, mehr Mitsprache und mehr Geld im Schweizer Gesundheitswesen.
Fragezeichen 2: Profite im Gesundheitswesen
Die Machtverschiebung im Gesundheitswesen führt zu einer weiteren unerwünschten Nebenwirkung. Krankenkassen sind profitorientierte Unternehmen. Keine Wohlfahrtsorganisationen, deren höchstes Ziel Ihre Gesundheit ist. Wer das bezweifelt, werfe wieder einmal einen Blick auf die Gehaltsliste der CEOs der Schweizer Krankenkassen.
Wie aber steigern profitorientierte Unternehmen im Gesundheitsmarkt ihre Gewinne? Mit Prämienerhöhungen, teuren Zusatzversicherungen und Druck auf die Löhne.
Das stimmt nicht optimistisch, wenn man bedenkt, dass in der Schweiz Tausende von Pflege-Stellen unbesetzt sind. Und das Land gemäss Nationalem Versorgungsbericht bis 2030 rund 70’000 weitere PflegerInnen braucht.
Fragezeichen 3: Armes Alter, feines Alter
Kommen wir zu einer dritten Nebenwirkung von Efas: der Bildung einer Mehrklassen-Medizin.
Hier die allgemein krankenversicherte Bevölkerung. Sie bekommt mit der Grundversicherung zusehends schlechtere Leistungen und kann sich teure Zusatzversicherungen nicht leisten. Auch nicht für ein würdevolles Altern mit Pflegeanspruch.
Dort die Versicherten mit hohem Einkommen. Für diesen Bevölkerungsanteil sind die jetztigen Prämien aufgrund der einkommensunabhängigen Kassenprämien – den sog. Kopfprämien – noch lange tragbar. Das Geld reicht für teure Zusatzversicherungen und eine hochwertige Pflege im Alter.
Fassen wir zusammen
Efas sorgt für einen Privatisierungsschub im Schweizer Gesundheitswesen. Das wiederum wirkt auf Dauer prämientreibend, weil Krankenkassen gewinnorientierte Unternehmen sind.
Neue Lösungen
Andere Länder zeigen, dass es selbst für den Bereich der „explodierenden“ Langzeitpflege andere Lösungen gibt. Im österreichischen Burgenland zum Beispiel steht seit 2019 fest, dass neue Altersheime ab 2024 nur noch von gemeinnützigen Gesellschaften betrieben werden dürfen.
Weil Pflege genau wie Kinderbetreuung und Bildung Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge sei, sagt Landesrat Leo Schneemann. „In diesem höchst sensiblen Bereich hat das Prinzip der Gewinnmaximierung nichts verloren.“
„Privatunternehmen sind gefährlich“
Ebenso in Norwegen. Hier übernehmen immer mehr Kommunen die Alters- und Pflegeheime in Eigenregie. Private Unternehmen seien gut für die Gesellschaft, „aber sie sind gefährlich, wenn sie Pflegedienste betreiben“, sagt Robert Steen, Vizebürgermeister von Oslo. Ihr Hauptzweck sei der Profit, nicht die Pflege.
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Graues Gold
Die Pflege alter Menschen ist zu einem Milliardengeschäft für Finanzinvestoren und internationale Konzerne wird. Ein Beitrag von „Investigative Europe“, das grösste Netzwerk unabhängiger JournalistInnen in Europa. Mehr…
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Riskante Medikamente
Eine weitere Recherche zeigt, dass Europas Arzneimittelbehörde EMA auf Druck der Pharmaindustrie Medikamente beschleunigt zulässt, die Risiken bergen.